Wonach verlangst du Liebste
nach meinen offenen Armen
nach meiner Stimme
meiner Sprache
fremd in deinem Mund
willst du hören
wie meine Sprache
auch dich kennt
© Tsead Bruinja
© Übersetzung Ard Posthuma
Liebste niemand weiß wie wir uns in früheren Leben
versäumten oder den Bus verpaßten in dem einer
von uns beiden saß oder du meine Schwester oder Mutter
warst und zwischen uns nichts werden konnte weil
zu viele Jahre oder eine Religion zwischen uns
schwamm so plastisch wie ein Kontinent wird die Distanz
wohl schon einmal gewesen sein ich war vielleicht dabei
das Feuer zu erfinden während du und dein Geliebter
auf der andere Seite des Ozeans die Kerzen anzündeten
halte ich dich schon wieder fest umklammert ich will dich nicht
zerquetschen aber spüre Angst und Freude zugleich daß
es zwischen uns nie mehr sein wird als dieses All
in dem wir nicht zusammenkommen können weil
es zu klein ist für den Kummer jener zwei die eins werden
Soll die Zeit uns auseinanderzerren wenn wir einer nach dem anderen sterben Liebste wir schlagen zurück mit Brücken aus Worten
© Tsead Bruinja
© Übersetzung Ard Posthuma
wer weiß wie weit wir mit dem Bauen sind
wenn Risse durch die Mauern unsres Luftschlosses
ziehen und wer weiß ob wir die Teile jenes Freskos
das unsere Liebe darstellen sollte wiedererkennen wollen
ich sehe uns schon auf dem Bett drei verkrümelte
Träume auf dem Schoß daran herumknobeln wie es war
wie es sein würde und über nie mehr keinen Streit
bekommen wir dieses Bauprojekt rechtzeitig fertig bevor
die Scham unter die Decke kriechen kann wie ein
Kind zu seinen Eltern an einem Sonntagmorgen
wen wollen wir heute besuchen auf welcher Seite
ist Platz übrig niemand reicht an unsere Phantasie heran
soll nicht ein wenig Gelb zum grünen Kiel unseres
Schiffchens auf dem wilden Meer - gib nur Bescheid
zusammen sind wir die größten Phantasten
© Tsead Bruinja
© Übersetzung Ard Posthuma
galoppierend kam er aus seinem letzten Traum
wie ein rostiger Ritter auf einem geweißelten Roß
mit blanker Latte und Nachricht für seine Frau
daß er herrlich über sie phantasiert habe
sie wusch seine quietschende Kluft liebevoll in einem Bad
mit Cola massierte mit fischbeinernen Bürsten und
harter Hand das Weiß aus seinem weit aufgefalteten Hengstenkörper
half ihm keuchend aufs Pferd und zeigte ihm den Weg
seine scharfen Knochen die unter seinem Wanst
fast durch die zarte Haut stachen rasselten wie
eine alte Schuhwichsdose mit einer Klammer gegens Hinterrad
gegen die Innenseite seiner glänzend polierten Rüstung
ein reifer Apfel rollte in der Dose über das Speckbrot
von der einen nach der anderen Seite war seine Lanze glattgerieben
das Blei gespitzt er lutschte ein Pfefferminz auf der Zunge
und fettete den Sattel ein
und ich wollte bis ihm die Flügel brechen sollten
nichts mehr von einer Welt um uns herum vernehmen
wollte mitrennen mit seinen wild keisenden Mühlen
bis zum heißen Ende
© Tsead Bruinja
© Übersetzung Ard Posthuma
NACH DEM FEST
lass jetzt die Welt flüssig werden lass die Stimmen kommen wenn sie schläft das Glas ist zerbrochen besoffen geht das Träumen zur See öffnet das Wasser ist betrunken mein Lachen war laut zu laut meine Tragfähigkeit brachte träge ratternde Telephone zu Gehör meine Sprache troff von den Wänden runter und kitzelte Gästezehen konnte es ihnen nicht übelnehmen dass mein Gesicht mich im Stich ließ wenn sie mich anschauten schamlachte ich mich violett und musste schon wieder rauf mir etwas anderes anzuziehen am Fensterputzen entlang das stocksteif Auskotzen von Tagen das Entstellen ihres Gesichts in meinen Gedanken wie wenn sie mich micht mehr liebte wenn ich nicht mehr darf gleich fliegen die Vorwürfe die Tränen und Väter bespringen Paradepferde während sie sich willig nachgießen lassen ich zögere renne hinunter dachte ich das fest ist fertig aber ich noch mitten im Trubel die wunderschönen Wagen brüsteten sich mit Insassen und ich winke tschüss Leute tschüss Gäste jemand der noch vom übriggebliebenen Essen etwas mitnehmen möchte das hätte ich noch sagen wollen sich wälzen mit Sternen durch in die Speichen gegriffene Nächte hätte ich sagen wollen ich hätte sagen wollen achte nicht auf meine worte lass kreiseln was zwischen uns zum Stillstand kommt in gefrorenen Dosen und sag mal endlich was Sache ist und ich werde zum Gesagten gehören und dich sanft an den Haaren reißen meinen Pelz verkaufen mich auf unser Gespräch konzentrieren ganz Ohr dir den Rücken zuwenden so dass du mich am Arsch lecken kannst und meine Pferde lenken
es bleibt bei mir echt bei mir auch wenn du dir einen Weg bahnst mit Buschmesserwaffe weg von mir einen anderen anmachst auch wenn mein Ohr deine Stimme weiterhin entbehren muss gehst du mir schlafend und unerschütterlich unter die Haut
© Tsead Bruinja
© Übersetzung Ard Posthuma
Nacht war die Waffe die uns zusammengebracht
grollende Braune brummende Schimmel
heilig Grau brennend in Wüstenblicken
wir griffen zu schwer entzündeten Werkzeugen
der Mond war Uhr hinter wogenden Bäumen
der Mond war Testbild das wir träumen konnten
er schiebt Meer vor sich her sagen sie
er rührt Schwüle durch Stürme sagen sie
wir bezogen Stellungen ich hörte
Atemgeschichte rauschen durch Instrumente
unsichtbare Funker schickten subkutane Berichte
es blieben zögerliche Antworten auf kreischende Bedürfnisse
wir gingen tiefer
tiefer
wenn du lang genug nach Schnee schaust wird dein Haus fliegen
wenn du lang genug nach Geräusche lauschst wirst du glauben
das da was ist das lebt das tiefer
tiefer
wir bezogen Stellung
wie weiße Perlen schossen unsere Körper durchs Wasser
© Tsead Bruinja
© Übersetzung: Marinus Pütz
BRÜCKENMANN
wildfremd war sie nicht die mir die Neuigkeit brachte
seines baldigen Sterbens ich dachte
dann werde ich singen singen um was
ich noch von dir weiß den Portalen zur Hölle
zu entreißen packe ich das Buch des Vergessens
auf den Schoß und fange an aus dieser toten Schrift
die ich nicht besser beherrsche als
welche Sprache auch immer dich aufzufischen
wie du mich aus einem Eisloch
unter einer Brücke ziehen wolltest und
dir selbst in Panik nasse Klamotten beschertest so
wird dieses Lied mich nicht meiden können
komm Vater schnür mir die Schlittschuhe unter
ich habe die engen Knabenstiefel beinah an
komm schnür mir die Schlittschuhe unter
das Eis ist dünn wie dein müdes Gesicht
mit wässrigen Augen starrst du mich an
komm noch einmal aus deinem dicken Wollgrab
und schnür mir die Schlittschuhe unter
das Wasser wird uns über sich hinwegfliegen sehen
so brachte Mutter uns froh ans Ufer
wo unsere erste Reise mit ihr begann
in unseren Gedanken über durchsichtiges Schwarz
über pass auf schau hin Stolperzweigen und
gefrorene Brachsen Fischstäbchen alberte
ich versuchte das Eis zu brechen mit
Kinderwitz und Kinderhänden
doch du warst zu Hause krank bei deiner Frau
und beinah an deinem Geburtsort den Weiden
wo weiße Winterdecken grünes Gras
verstummen ließen grünes Gras das vorher
deine weichen Sohlen kannte Füße die nun
ohne Mädchen einsam mit mir über triste Wasser jagen
wie sonst niemand besser noch als Mutter
kannten diese Wassergräben und Weiden dich
dieses Dorf mit seinem Friedhof voller Bekannte
der goldene Hahn auf dem spitzen Kirchturm
nahe dem Bauernhof wo du
dir selbst das Senden und Trommeln beibrachtest
wo dein Vater dich galoppieren sah
der Sattel ein nackter Pferderücken
früh stieß die Schaufel für ihn in den Boden
der mir dreimal seinen Namen lieh
als ich noch nicht Vater heißen konnte
komm schnür mir die Schlittschuhe unter
ich habe die engen grünen Knabenstiefel an
schnür mir die Schlittschuhe unter
das Eis ist dünn wie der zeitliche Abstand zwischen uns
jetzt da ich über die Grenzen hinweg dich trocken anschauen kann
musst du mir noch einmal die Schlittschuhe unterschnüren
oder nimm noch einmal den Stift
und lass das Papier uns über das Eis
fliegen jagen jaulen sehen
und erzähl noch mal wie du dem Musik-
Lehrer der dir mit dem Schlüsselbund feige
heftig gegen die Ohren schlug direkt
in den Sack getreten hast Schwächeanfall angeblich
weigertest du Tschuldigung zu sagen
Direktoren gegenüber bliebst du stur
zuhause wo du zwischen dem krummen und rechten
deinen eigenen tiefen Pfad aus Mitleid grubst
schwer wie ein Stein lag das Fehlen von Vergebung
dir im Bauch als du das Kreuz nicht mehr
um den Hals tragen konntest und deine Mutter
kein himmlisches Haus mehr hatte dich darin zu erwarten
schnür mir die Schlittschuhe unter Vater
diese Welt ist die echte
zwischen mir und ihr warst du der Brückenmann und Bräutigam
nun ist es schwerer Sommer liegen die Schlittschuhe
eingefettet im Keller
vor uns tanzen Schlittschuhläufer über das Wasser
das Wasser ist wie blauer Schiefer
so schön so dunkel
© Tsead Bruinja
© Übersetzung: Marinus Pütz
Wellblechdächer Moosdächer mit bleichender Wäsche und nassen Klammern die tanzen im Wind eine Menschenhand oder ein Kopf nirgends zu finden aber wohl stählerne Schornsteinröhren orange-rote Dachpfannen mit schwarzen Resten von oben bis unten Regen offene Türen geschlossene Gardinen die saubere Wäsche hängt draußen und Zweige wachsen gierig greifend nach allem was sie zerstören können steinerne Mauern hinter denen er denkend an Schwimmbäder Badeanzüge spannen und nach dem Kaffeetrinken schwimmen spicken über die Ränder der Ankleidekabinen Ghettoblaster klangen wie vierspurige Betonbahnen unten durch fuhren Jungenstimmen er kann es hören aber sie zieht an dem was er bewahrt hinter seinen Gitterzähnen und lässt seine gelähmte Zunge wieder laufen zurück zum Dorf wo er wühlnächtelang durstig wach liegt Messer im Bauch von einem hungrigen Gott
© Tsead Bruinja
© Übersetzung: Marinus Pütz
ZUNGE
was ich wünsche
ein helles Herz
für eine dunkle Nacht
Ohren die mit dem Heulen stoppen
dem dösenden Schiff zuhören
Lied das wieder über Lippen
kommt
da singt ein Zug
durch diese schlammige Landschaft
durch diese graue Luft
da singt ein Zug
beidseitig
vom durchkreuzten
wächst stetig
der Haufen
weißer Federn
Zunge was ist dein Beruf
Blatt im Saxophonmund
Zweifelherz in roter Torsowunde
Tango der im Blutkopf wohnt
Zunge was ist dein Beruf
Zunge sag dass Abstand Form ist
Zunge heb auf
© Tsead Bruinja
© Übersetzung: Marinus Pütz
ÄPFEL KAUFEN
mehlig reifer verdruss spiegelt sie
in den Koerben des Marktverkäufers
delikat ist sie die Äpfel mag
er sieht das er sieht sie widerspenstig
lachen über seine süßsauren Witze
am liebsten zückt er ein Klappmesser jetzt
und zeigt ihr die Hälften die rauhen Kerne
sie zweifelt eine scheints unfruchtbare Stunde
knapp erwischt sie den letzten Bus
wenn sie ins Tanzhaus geht
trägt sie einen Korb voller roter Bäckchen
dort an ihren sonngebräunten Armen
hängend betteln Kindsmänner
nach Wasserfrüchten mit zum Obdachhaus Obdach
aber sie kommt zum Tanzen
wenn sie kommt
iiiiiiiiiiiiiiiiiii kommt sie zum Tanzen
wenn sie kommt fängt alles an zu tanzen
darf ein Gospeljauchzer die Überfahrt machen
aus dem Süden des Tabaks fernes Amerika
meine steifen Hüften wollen sich wiegen
sich in ihre Leere wagen
bis das Morgengrauen kommt mich zu brechen
und sie wieder neben mir schläft
© Tsead Bruinja
© Übersetzung: Marinus Pütz
er ist der Mann der laufen muss der laufen laufen laufen muss
so voller Begierde
und Neigung ins Rot
so blind davor
wie es ums Land
bestellt ist verdammt
dass er laufen muss
laufen bis er
durchsichtig wird
und dünn wie Luft
Verlangen
aufgelöst sieht
durch den Park
am Sandkasten entlang
durch den Sandkasten
ins Klettergerüst
wo er träumt
von der Wüste
Zungeneidechsen
und Staubsamen
so dünn wie er
werden will
der Mann
der laufen muss
der laufen laufen
laufen muss
mit seinem Traum
um den kein
Zaun passt
© Tsead Bruinja
© Übersetzung: Marinus Pütz
GRAS DAS SCHON MAL LACHT
jedes Wort das ich bei dir hinlege
auf den Boden und dir zu Füßen
ist ein Wort zuviel
das kalte Gras darunter
gemäht noch nass
vom Mond
es liegt einen Tag
und wartet auf die Sonne
und Hand vor dem Mund
und Hand vor den Witz
wartet wie
frisch gemähtes Gras
iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiilacht
schaut mich an
richte dich auf
iiiiiiiiiiiiiiiiiiii lacht lacht lacht
jedes Wort
iiiiiii wahres Wort lacht
lacht
iiiiiii froh
wie ein Bett das noch nicht her
gerichtet ist
lacht
iiiiiii frisch
gemäht und glatt
frisch gemäht und froh
lacht das Grasiiiiimit der Hand
iiiiiiiiiiiiiiiiiauf dem Mund
und jedes Wort das ich später scheinbar sanft
bei dir hinlege auf das neue Gras und dir zu kostbaren Füßen
ist ein Wort zu viel das lacht und lachen wird
© Tsead Bruinja
© Übersetzung: Marinus Pütz
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